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Darf ich mich
vorstellen?
Ich heiße
Eva-Maria
Geboren bin ich am
28. September 1989
um 11.16 Uhr morgens
Mein Sternzeichen ist die

Ich bin 21 Jahre alt
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Was an mir besonders ist?
Ich bin behindert, geistig behindert.
Im Ärztedeutsch heißt das mentale Retardierung.
Meine Mama möchte hier die Entwicklung ihres behinderten Kindes
darzustellen
und anderen Eltern Mut machen, die sich vielleicht gerade in einer
Lebensphase befinden,
die meine Eltern bereits mit Erfolg gemeistert haben. Meine Mama
findet, dass ich wert bin,
auf ihrer Webseite vorgestellt zu werden, weil ich ein ganz besonderer und
liebenswerter Mensch bin.
Mein Name
Eva heiße ich, weil ich das erste Mädchen in der Familie bin.
Ich habe nämlich noch drei (Halb-) Brüder und auch unser Hund und unser
Kater sind männlich.
Maria heiße ich, weil meine Oma so hieß und meiner Mama der Name
immer so gut gefiel.
Außerdem halten meine Eltern nichts von neumodischen Namen. Mama sagt,
die alten Namen sind immer modern.
Mama war auch sehr froh, als sie endlich weibliche Verstärkung für
ihren Männerhaushalt bekam.
Mehr über meine Familie erzähle ich noch. Doch lasst mich zunächst von mir
erzählen...
Meine Geburt
Das bin ich, einige Tage nach meiner Geburt.
<Foto kommt noch>
Ich hatte während meiner Geburt einen Sauerstoffmangel
Deshalb musste ich die ersten drei Wochen meines Lebens in einem Inkubator
verbringen,
so heißen diese gläsernen Kästen. In der Umgangssprache sagt man dazu
auch "Brutkasten". Dorthin kommen Babys, denen es nach der Geburt nicht gut geht oder die zu
früh zur Welt kommen.
Der Anfang
Bei meiner Geburt wog ich 3600 g, war 51 cm groß und hatte einen
Kopfumfang von 36 cm.
Die Schwangerschaft verlief unkompliziert, ich kam zwei Tage vor dem errechneten
Geburtstermin zur Welt. Weil zufällig eine Gruppe Lernschwestern mit ihrer
Lehrerin die
Entbindungsstation besichtigten, hat meine Mama sogar erlaubt, dass diese
zum ersten Mal miterleben durften, wie ein Baby (ich) zur Welt kommt. Jeder muss ja schließlich mal
lernen, meinte Mama und sie wusste ja, wie so eine
Entbindung abläuft, hat alles ganz locker gesehen und war gleich einverstanden
als man sie fragte.
Mein Papa, der bei meiner Geburt dabei war, auch.
Aber der hatte eh nur Augen
für meine Mama und für mich.
Mama hatte mit mir eine unkomplizierte Entbindung. Es dauerte gerade
mal drei Stunden, bis ich meinen ersten Schrei tat. Trotzdem war bei mir
alles anders als bei meinem Bruder sagt Mama. Ich wäre irgendwie
schlapp gewesen. Der Arzt meinte nur, ich wäre noch etwas schwach
und man legte mich erst eine Weile unter die Wärmeglocke bis ich dann auf
Mamas Bauch durfte. Dort stellte meine Mutter fest, dass ich ziemlich
apathisch war und auch mein linkes Händchen zitterte ein wenig. Papa
sagte später, man hätte bei meiner Geburt "geschlampt" und hätte sich
besser um meine Mama und später mich kümmern müssen. Dann hätte man
auch rechtzeitig bemerkt, dass mit mir etwas nicht in Ordnung war und mich
nicht erst eine Nacht später in die Kinderklinik gebracht. Aber das sagt
sich so leicht. Meine Mama jedenfalls meint, man müsse das Beste daraus
machen und es hätte keinen Sinn, ständig nach Schuld und Ursache zu
forschen, weil es nur noch mehr Bauchgrimmen verursacht und sie alle ihre
Kräfte für Wichtigeres, nämlich mich, bräuchte.
In der Nacht nach meiner Geburt brachte man mich von der
Neugeborenenstation in die Kinderklinik, weil ich Atemnot bekommen hatte
("blau" angelaufen bin). Davon hat man meiner Mama
allerdings erst erzählt, als am nächsten Morgen den Müttern die Babys
ans Bett gebracht wurden und sie sich wunderte, warum ich nicht dabei
war. Sie hat sich damals ziemlich geärgert, weil die Schwestern
erst auf IHRE Frage, wo denn IHR Baby sei, antworteten, dass ich nicht
mehr auf der Station lag, sondern in die Kinderklinik verlegt wurde. Das war schon ein großer Schock fürs
Erste. Weil im ersten Moment auch niemand gefunden wurde, der genau sagen
konnte, warum ich nicht mehr da war. Das Wort
"Sauerstoffmangel" fiel zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Das erfuhren
meine Eltern erst einige Tage später, als sich endlich ein Arzt fand, der
Zeit hatte zu erklären was mir fehlte. Mein Papa hat meine Mama dann
nach zwei Tagen aus der Klinik nachhause geholt, weil es sie noch
unglücklicher gemacht hatte, all die stolzen Mütter mit ihren Babys um
sie herum zu sehen. Meine Mama war dann auch sehr traurig, weil es
gerade bei mir mit dem Stillen nicht geklappt hat, aber daran war wohl die
ganze Aufregung schuld. Meine Eltern haben mich jeden Tag besucht. Meine Mama hasst Halbwahrheiten und die ausweichenden
Antworten der Ärzte haben sie zunächst mehr geärgert als die Tatsache sie
belastet hat, dass ich krank war. Meine Eltern hatten ständig das
Gefühl, als würde man ihnen aus dem Weg gehen. Aber endlich war es dann
heraus und so steht es auch in meinem Geburtspass: ich hatte Neugeborenenkrämpfe,
eine Cerebralparese, ein mittelgradiges Hirnödem, Neugeboreneninfektionen und einige Sachen mehr. Man
sagte meinen Eltern dann, dass nicht absehbar wäre wie ich mich entwickeln
würde, aber dass ich mich voraussichtlich (!) langsamer entwickeln
würde als andere Kinder und man erst mal abwarten
müsse, weil Sauerstoffmangel auf sich auf verschiedene Weise
auswirken könne. Man wollte meine Eltern wohl nicht belasten, denn denn
was in den folgenden Jahren auf sie zukam, war schon eine ganze Menge.
Letztendlich stellte sich heraus, dass bei mir u.a. das Sprachzentrum den
größten Schaden genommen hat. Aber eines nach dem anderen...
Meine Mama und mein Papa waren sehr, sehr traurig als ihnen klar wurde, dass ich behindert
bin und es war ihnen bewusst, dass ich besonders viel Zuwendung und Förderung in den kommenden Jahren
brauchen würde. Das geht wohl allen Eltern so, die ein behindertes Kind bekommen.
Die Diagnose "behindert" schlägt immer ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel,
egal ob bei der Geburt, nach einer Krankheit oder einem Unfall.
Das Schlimmste für meine Eltern war die Ungewissheit, wie sich meine
Behinderung auswirken würde und wie hilflos ich bleiben würde und ob
überhaupt. Aber meine Mama und mein Papa haben dann fest
zusammengehalten und sich gesagt, dass sie es schon irgendwie schaffen
würden, gemeinsam, die schwere Verantwortung zu meistern. Das ist nicht
so selbstverständlich. Es gibt Ehen, die zerbrechen, weil viele
Eltern mit den Aufgaben, die auf sie zukommen, überfordert sind.
Ich hatte jedenfalls Glück mit meinen Eltern und meine Mama sagt, sie
auch mit mir.
Warum das so ist, werde ich später erzählen.
Viele Jahre lang war meine Mama oft verzweifelt, weil ich so ein
"schwieriges" Baby war.
Ich habe nämlich sehr viel, stunden- und nächtelang geweint, um nicht zu
sagen gebrüllt und
war zudem außerordentlich lärmempfindlich (das bin ich heute noch), was auf viel Unverständnis
stieß im Bekanntenkreis meiner Eltern. Viele Besucher waren der
Meinung, man müsse nicht auf Samtpfoten durchs Haus laufen, wenn ein Kind
schläft oder müsse mich auch mal schreien lassen. Das haben meine
Eltern NIE zugelassen, haben mich immer liebevoll in den Arm genommen wenn
ich wieder einen Schreianfall hatte, egal zu welcher Tageszeit. Es war
wirklich so, dass ich im Schlaf beim kleinsten Geräusch
sofort losbrüllte. In einem lebhaften Haus wie unserem, wo ständig Freunde
meiner Brüder, Kunden und Besucher anläuten, ein sehr schwieriges
Unterfangen. Meine Mama meinte immer, ich müsste doch irgendwann merken, wie lieb mich
alle hätten und Vertrauen gewinnen, dass mich niemand im Stich
ließe. Es war für meine Eltern schwierig, die Balance zu finden - mich einerseits
nicht zu sehr zu verwöhnen und andererseits die Aufmerksamkeit zu geben,
die ich brauchte, mehr als ein gesundes Kind. Meine Stimmbänder
jedenfalls waren ausgeprägt kräftig entwickelt. Mama hat das oft belastet, wenn sie mit mir unterwegs war. Das Spazieren fahren im Kinder-
und später im Sportwagen war oft der reinste Spießrutenlauf Manchmal
hat man uns in Wartezimmern Vorrang gelassen, weil ich so unruhig war und man mich nicht mehr hören
konnte später, als Kleinkind, auch keiner
Erklärung oder Ablenkung zugängig. Das kann nur verstehen wer selbst ein
hyperaktives Kind hat. Weil ich nachts so oft
geschrieen habe, hatten Mama und Papa sehr wenig Schlaf. Das
ist ja eigentlich normal, wenn man kleine Kinder hat. Doch ich habe
wirklich jahrelang (!) sehr, sehr wenig geschlafen, bin oft nach einer Stunde Schlaf
schon wieder wach gewesen. Oft hat mein Papa mich nachts beruhigt,
gewickelt und umher getragen, wenn ich wieder einen Schreianfall
hatte. Das machen nicht alle Väter so geduldig wie meiner. Meine
Mama sagt ich hätte, bis ich 6 Jahre alt war, keine Nacht länger als 3
Stunden am Stück geschlafen, manchmal noch weniger. Das lag
u.a. auch an den Tabletten (Luminal), die ich seit meiner Geburt einnehmen musste, denn ich
hatte nach der Geburt Krämpfe, die mit den Tabletten zum Stillstand
gebracht wurden, die mich aber insgesamt unruhiger machten. Später, als ich etwa 3
Jahre alt war, bekam ich dann so genannte
"atypische Absencen", d.h. ich hielt mitten in der Bewegung
inne, blieb - oft nur ein paar Sekunden - regungslos (starr) stehen und war für kurze Zeit nicht
ansprechbar. Von da an musste ich regelmäßig alle drei Monate zur
Untersuchung in die Klinik und wurde auf ein anderes Medikament
"eingestellt" (Petnidan Saft), das ich bis zu meinem 10.
Lebensjahr konsequent einnehmen musste. Mama machte sich viele Sorgen, ob
sich diese leichte Epilepsie später nicht in schwere Anfälle auswirken
könnte. In der Kinderklinik wurde ich regelmäßig untersucht und mir
wurde auf meinem Kopf so eine komische Mütze mit vielen bunten Stöpseln
daran aufgesetzt. So etwas nennt man EEG. Damit wurden meine
Gehirnströme gemessen, denn ich hatte ja ein Anfallsleiden und meine Mama
war sehr besorgt deswegen. Sie hatte immer alle Hände voll zu tun um mich
abzulenken und zu beruhigen, damit ich während dieser 15 Minuten ruhig
lag, das gefiel mir nämlich ganz und gar nicht. Mama war schon
ziemlich fertig mit ihren Nerven in dieser Zeit. Meine beiden
älteren Brüder wurden nämlich gerade eingeschult als ich ein Jahr
alt wurde und meine Eltern wussten in dieser Zeit oft nicht, um wen sie
sich zuerst kümmern sollten, aber dazu vielleicht später mehr. Seit
ich 10 Jahre alt bin, brauche ich nun kein Medikament mehr, weil seitdem
mein EEG unauffällig ist. Darüber ist meine Mama sehr froh.
Sie muss mich aber weiterhin beobachten, weil man ihr sagte, dass
eventuell während meiner Pubertät oder seelischen Belastungen ein Rückfall
eintreten könne.
Meine Behinderung
wird offiziell beschrieben als "Entwicklungsverzögerung
infolge Sauerstoffmangels" bei der Geburt.
Natürlich gibt es weitere, medizinische, Bezeichnungen für alles, was ich hatte und noch
habe.
Es hat viele Jahre gedauert bis ich Dinge konnte, die andere Kinder im
Handumdrehen lernen. Für meine Familie war deshalb jeder noch so kleine Schritt nach vorn etwas
ganz Besonderes und bedurfte sehr vieler Übungen: das selbständige Essen,
Treppensteigen, An- und Ausziehen, Knöpfe und Reißverschlüsse öffnen.
Dass ich
bei meiner Einschulung eine Schleife ganz alleine binden konnte, darauf war
ich sehr stolz. Solche Dinge haben u.a. meine Heilerzieherinnen im
Kindergarten geduldig und spielerisch mit uns täglich geübt. Ich habe vieles sehr, sehr viel später begriffen und
gelernt als ein gesundes Kind in meinem Alter. Mama wurde oft schief
angesehen, wenn sie mit mir unterwegs war. Meine Behinderung sieht
man ja nicht auf den ersten Blick, auch wenn ich als Baby schon sehr
komisch aussah...ich schielte sehr stark, konnte meinen Speichel nicht
kontrollieren und meine Bewegungen waren oft unkoordiniert. Meine ersten richtigen Gehversuche unternahm ich mit
drei Jahren, Windeln brauchte ich sogar noch als ich schon zur Schule ging und nachts nässte ich noch lange
nach Schulbeginn ein. Körperlich ist mir
heute nicht mehr anzusehen, dass in meinen ersten Lebensjahren die Chancen,
jemals unbeschwert laufen und springen zu können, sehr schlecht
standen.
Geistig werde ich wohl ein Leben lang Kind bleiben. Dennoch bin ich
der beste Beweis dafür, dass die Diagnose "geistige
Behinderung" kein endgültiges Urteil darstellt, denn noch immer
mache ich Schritte nach VORN, was nicht zuletzt daran liegt, dass ich
GELIEBT und AKZEPTIERT werde, wie ich bin.
Entwicklung
Wer mich heute kennen lernt, kann sich nicht
vorstellen, welch schwierige Zeiten meine Eltern wegen und mit mir
erlebt haben. Meine Mama sagt manchmal, meine ersten sechs Lebensjahre hätten
sie die Hälfte ihres Lebens gekostet. Fast jeden Tag hatte sie mit mir Termine,
oft mehrmals täglich - Krankengymnastik in der Praxis und zuhause, Frühförderung, therapeutisches
Schwimmen, Untersuchungen bei Ärzten. Fast täglich standen irgendwelche Therapien,
Untersuchungen oder Arztbesuche auf der Tagesordnung, eine
Schielbehandlung und Untersuchungen in der Kopfklinik Erlangen. Meine Eltern waren mit mir
auch im Kinderzentrum München, um mich dort
untersuchen zu lassen. Sie wollten nichts unversucht lassen mir die
bestmöglichste Behandlung und Förderung zu geben. Meine Mama musste, bis
ich in den Kindergarten kam, zuhause krankengymnastische Übungen mit mir
machen, was ganz schön viel Muskelkraft beanspruchte - und Nerven, denn
ich habe bei den Übungen natürlich oft geweint, aber Mama musste mir ja
"weh tun", damit diese Übungen erfolgreich waren. Meine Krankengymnastin,
Frau Haufe, jedenfalls war später richtig stolz als sie sah, was aus mir geworden
ist. Sie sagte einmal, ich wäre ihr 'Vorzeigekind'.
Denn es sah anfangs gar nicht gut mit mir aus. Ich hatte eine halbseitige
spastische Lähmung und meine Eltern hatten lange Zeit Sorge, ob ich
überhaupt jemals ohne Hilfe laufen und greifen könne, weil meine beiden Füße nach innen gedreht waren und auch andere Bewegungsabläufe nicht so waren
wie sie sein sollten. Besonders das Greifen nach Dingen musste erst mit
mir geübt werden.
Es war eben alles ziemlich unkoordiniert bei mir. Aus diesem Grund habe ich auch erst mit drei Jahren
richtig zu laufen begonnen. Doch die vielen Mühen haben sich
gelohnt! Meine Eltern sind heute stolz darauf, wie toll ich mich
entwickelt habe. Heute habe ich nämlich eine tolle Figur, gerade Füße und
überhaupt ist bei mir alles am richtigen Fleck, sagt Papa. Mein Herz auch, sagt Mama.
Kindergarten
Mit vier Jahren hatte ich das Glück, dass meine Eltern auf der Suche nach
einer vorschulischen Einrichtung auf einen Kindergarten
aufmerksam gemacht wurden welcher der Waldorf-Pädagogik nahe steht. Dort
wurde ich aufgenommen und habe ich mich vom ersten Tag an zuhause gefühlt. Die
Erzieherinnen sind auch mit unendlich viel
Liebe und Geduld mit den sehr unterschiedlichen Behinderungen ihrer
Schützlinge umgegangen und ich habe in dieser Zeit sehr viel
hinzugelernt. Zum Ende der Kindergartenzeit habe ich dann auch endlich
zusammenhängende, wenn auch kurze Sätze sprechen können. Meine Mama sagt, das liegt an den vielen, sich
ständig wiederholenden, musischen Elementen, rhythmischen Singspielen und
Reimen. Meine Mama sagt immer, welch große Erleichterung es sei,
sich sich mit einem
behinderten Kind
austauschen
und VERSTÄNDIGEN kann.

Meine Schultüte habe ich im Kindergarten selbst gebastelt
Meine Schule
Meine Schule heißt
Karl-König-Schule und ist eine private, heilpädagogische Schule auf
anthroposophischer Grundlage. Meine Schule und benannt nach dem Wiener Arzt
Karl König
(1902-1966). Der Unterricht
wird auf der Grundlage des Lehrplans der Freien Waldorfschulen
(Rudolf-Steiner-Schulen) erteilt, welcher die Fähigkeiten jeder Alters-
und Entwicklungsstufe allseitig berücksichtigt. Rudolf
Steiner (1861-1925) war der Begründer der Anthroposophie und Waldorfschulen.
Ich fühle mich an meiner Schule so wohl, dass ich immer noch nach wenigen Ferientagen
ungeduldig frage, wann denn endlich die Schule wieder begänne. In meiner Klasse
sind wir 8 Kinder mit einem Waldorflehrer, einer Erzieherin und
zwei Klassenhelfern/Praktikanten. Wir lernen, musizieren, basteln
und essen gemeinsam und machen viele Ausflüge. Kürzlich waren wir
mit unseren Lehrern und Eltern im Planetarium, weil wir gerade über
Planeten und Sternzeichen lernen. Das war ein tolles Erlebnis.
Besonders gefallen mir die Schulfeste, die immer sehr feierlich begangen
werden - die Feiern zu Michaeli, Johanni, das
Adventsgärtlein
oder um den Martinstag der abendliche, stimmungsvolle Laternenzug durch
den nahen Wald, bei der immer auf einer Waldlichtung ein Kreis mit Fackeln
abgesteckt wird und wir Sankt Martin erleben dürfen, wie er seinen Mantel
teilt. Später teilen alle Anwesenden von uns Kindern selbst
gebackenes Brot und laufen wieder zum Ausgangspunkt zurück. Ein
ganz besonderes Erlebnis ist auch der Schulfasching, bei der Schüler,
Lehrer und Klassenzimmer sich phantasievoll "verkleiden" und wo
immer viel los ist.
Einmal im Jahr machen wir mit
unseren Lehrern und Klassenhelfern für mehrere Tage eine Klassenfahrt. Darauf
freue ich mich immer sehr. Unsere Praktikanten machen auch immer viel
Quatsch mit uns, wie man unten sieht.

Meinen Klassenlehrer, Herrn Ziegener, habe ich seit der ersten Klasse
und wir Kinder lieben und verehren ihn.
Er engagiert sich auch sehr für seine Klasse, weit über das
Übliche hinaus.
Dafür lieben wir ihn aber auch besonders.
Es ist bestimmt nicht einfach, so eine bunte Truppe, wie wir es sind,
zusammenzuhalten. Ein paar meiner Klassenkameradinnen möchten ihn gerne
heiraten, aber leider hat er schon eine Frau.
Behinderten-Fahrdienst
Seit 1993, seitdem ich die schulvorbereitende Einrichtung
(Kindergarten) der Karl-König-Schule besuche, werde ich morgens um 7.30
Uhr vom Behindertenfahrdienst abgeholt und nach der Schule um 16 Uhr
wieder heimgebracht. Manche Kinder - jetzt Jugendliche - in meinem
Bus kenne ich schon seit vielen Jahren. Wir sind wie eine kleine
Familie. Meine Busfahrer und die jährlich wechselnden Zivis waren
immer sehr nett zu uns. Viele Zivis haben uns Königskinder übrigens
so sehr in ihr Herz geschlossen, dass sie sich nach ihrem Dienst für einen
heilpädagogischen Beruf entschieden und besuchen, wenn es ihnen möglich
ist, unsere Schule immer wieder an Jahresfesten.
Das gibt dann
immer ein großes Hallo.

Zivis mit ihren Buskindern im Juli 1994 - damals war
ich die Kleinste
Seit vier Jahren ist
Anita meine Busbegleiterin. Das heißt, sie
begleitet die Schulkinder, die mit dem Behinderten-Fahrdienst zur Schule
gefahren werden und nach der Schule wieder nachhause gebracht
werden. Denn der Busfahrer kann ja nicht auf alle Kinder
aufpassen während der Fahrt. Manche Kinder sind sehr unruhig und
benötigen besondere Aufmerksamkeit. Ich bin aber ein ruhiges und folgsames Bus- und
Schulkind. Aber jetzt gehöre ich ja auch schon zu den "großen"
Buskindern. Anita mag ich sehr und sie ist sehr nett, nicht nur weil sie heißt wie meine Mama. Sie lädt ihre Buskinder
sogar während der Ferienzeiten zu sich nach Hause, zu Ausflügen oder in den Tiergarten ein
und solche Tage sind ein besonderes Erlebnis. Einmal waren
wir alle zusammen im Spielzeugmuseum und im Juli 2004 durfte sogar einmal
bei ihr übernachten, weil meine Eltern einen Wochenendbesuch machten. Anitas Tochter Corinna
ist auch sehr nett. Manchmal hilft sie im Bus aus, wenn ihre Mutter
verhindert ist. Corinna lernt Heilerzieherin und hat früher an
meiner Schule ein Praktikum gemacht. Von meinen Behi-Busfahrern bekomme ich zu Weihnachten immer ein kleines Geschenk, Anita schenkt mir oft eine liebevolle Kleinigkeit zwischendurch,
ein Heft oder Poster, die sie für mich aufhebt.
Da freue ich mich immer besonders.
Für meine Mama ist es eine große Erleichterung, dass ich den ganzen Tag
in der Schule bin und dass ich mich dort wohl fühle, denn sie arbeitet ja für
meinen Papa und sagte früher immer,
ihr Tag müsste 48 Stunden haben,
weil sie neben ihren Kindern und dem Geschäft auch noch abwechselnd alle meine Großeltern zu
pflegen und versorgen hatte.
Mein Tagesablauf
Meine Mama sagt, ich wäre trotz meiner Behinderung ihr pflegeleichtestes
Kind. Sie ist sich allerdings nicht sicher, ob es an der Erziehung liegt
oder daran, dass ich ein Mädchen bin.
Ich gehe nämlich immer
bereitwillig ins Bett und schlafe, seit ich 7 Jahre alt bin, durch. Das, sagt
meine Mama, sei ein großes Wunder und mache vieles wieder gut was meine
Eltern an durchwachten Nächten mit mir mitgemacht haben.
Jedenfalls wundern sich Freunde und Besucher immer, wie
unkompliziert ich bin wenn es ums ins-Bett-bringen geht. Meine Eltern haben
allerdings von Beginn an konsequent darauf geachtet, dass ich meine Ordnung
habe. Das war bestimmt eine gute Entscheidung. Denn ein geregelter Tagesablauf und Rituale, die sich
wiederholen, gaben und geben mir auch heute noch Sicherheit und Vertrauen.
Meine Mama singt
mir, seitdem ich ein Baby war, ein Gute-Nacht-Lied, und zwar immer
"Guten Abend, gute Nacht".
Sie singt zwar immer die kurze Version, manchmal lassen wir es jetzt auch
sein, schließlich werde ich auch älter. Manchmal wischt sie sich
sogar verstohlen eine Träne ab, weil ihr der Text so nahe
geht. Meine Mama ist nämlich etwas sentimental.
Wenn Mama und Papa ausgehen und meine Brüder mich einmal ins Bett bringen,
singen sie mir dieses Lied auch. Aber weil ich immer selbst singe, höre
ich nicht genau, ob sie auch wirklich singen oder nur den Mund bewegen.
Denn, ehrlich gesagt, mein Papa und meine Brüder sind nicht besonders
musikalisch. Mein Papa singt immer so verkehrt, dass es mir lieber
ist, wenn er nur an meinem Bett sitzt und mir zuhört oder leise in seinen
Bart brummt. Wenn ich morgens wach bin und die anderen schlafen noch,
singe ich manchmal vor mich hin oder ich singe für meine Puppen. Ich kann
mich überhaupt sehr gut alleine beschäftigen.
Wenn meine Mama arbeiten muss, spiele ich mit meinen Puppen 'Schule' oder
'Büro'.
Oft bin ich so ins Spiel vertieft, dass ich meine Umgebung vergesse.

Links, das ist mein Lieblingskuscheltier.
Ich nenne ihn Teddy, auch wenn er ein Affe ist.
Was ich alles schon gelernt habe?
Vieles...
Als ich
etwa 8 Jahre alt war kauften mir meine Eltern während eines Urlaubs in
der Eifel Inliner und zwar aus dem Grund, weil meine Brüder
ihre dabei hatten und ich unbedingt "auch fahren" wollte. So haben meine Eltern
mir diesen Wunsch eben erfüllt, allerdings mehr, damit sie ihre Ruhe
hatten und nicht weil sie glaubten, dass ich mit diesen rollenden Dingern
zurecht käme. Da haben sie sich aber gewaltig getäuscht! Ich bin das
angegangen als hätte ich vorher nie etwas anderes getan als mich auf
Rollen fortzubewegen. Meine Mama hatte anfangs ja ziemlich Angst,
dass ich mich durch einen Sturz verletzen könnte, denn ich bin - zugegeben-
in meiner Reaktion manchmal ziemlich langsam. Aber ich habe sie
etwas Besseren belehrt. Ich bin zwar vorsichtig, aber nie ängstlich
gefahren.

Ach, wie lustig... |
Das Wichtigste aber: ich habe Radfahren
gelernt und darauf kann ich mit Recht stolz sein, weil niemand gedacht
hätte, dass ich das jemals lernen würde, weil dazu viel Geschicklichkeit und
Gleichgewichtsgefühl gehört. Meine Eltern sind darüber sehr froh, denn
aus dem Fahrradkindersitz war ich ja bald herausgewachsen und sie konnten
lange keine Zeit keine Radtouren mehr mit mir unternehmen. Zuerst
bekam ich von meiner Patin einen stabilen Tretroller. Das hat
meinen Gleichgewichtssinn gefördert. Irgendwann, ich war ja schon
recht groß, übte ich dann auf einem kleinen Rad mit Stützrädern. Mit
dem Treten in die Pedale hatte ich lange Zeit Probleme, aber irgendwann
hat es dann doch geklappt. Die Freude und Erfahrung, durch eigenen
Antrieb Rad fahren zu können, war für mich wahrscheinlich ebenso groß wie
für meine Familie. Jetzt fahre ich schon ein "Damenrad" und das so
sicher im Verkehr als hätte ich nie etwas anderes getan. Nur mit der
Rücktrittbremse habe ich noch Probleme. Aber es gibt ja eine
Handbremse und ich passe schon auf, dass ich nicht zu Fall komme.
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Los geht's! |
Seit
meinem 13. Geburtstag kann ich jetzt schwimmen! Richtig
schwimmen. Eine Wasserratte war
ich schon immer. Das liegt sicher daran, dass mein Papa fast jeden
Sonntagmorgen mit uns Kindern ins Wellen- oder Hallenbad gefahren
ist. Das macht er oft, damit meine Mama ausschlafen kann, denn sie
hat während der Woche ziemlich viel um die Ohren und muss oft abends noch arbeiten, wenn ich im Bett bin.
Jahrelang musste ich diese unbequemen Schwimmflügel umlegen.
Seitdem meine Mama im Urlaub zufällig mit mir das Tauchen
geübt (Nase zu, Kopf unter Wasser) und ich später noch eine Schwimmbrille
bekam, habe ich auch keine Angst mehr unterzugehen und den Boden unter
meinen Füßen zu verlieren. Denn ich habe gemerkt, dass
Luftanhalten nicht nur Spaß macht, sondern dass es mit Schwimmbrille
unter Wasser viele interessante Dinge zu entdecken gibt. Ich finde
es nämlich sehr lustig, die Beine der Leute im Wasser strampeln zu sehen
und übe fleißig das Auf- und Abtauchen. Meiner Mama wird da manchmal
ganz schummrig, denn sie - als Brillenträgerin - hat es nicht so mit dem
Tauchen. Die lange Rutsche
rutsche ich auch gerne hinunter, aber
da brauche ich manchmal noch jemanden zur Sicherheit hinter mir. Am liebsten
mag ich
das Wellenbad. Wir fuhren aber auch viele Jahre, immer in den
Pfingstferien, mit unserem großen Zelt nach Italien an die Adria. Dort
gibt es einen tollen Campingplatz (Union Lido) und ich bedauere manchmal, dass meine
Mama das - wie sie sagt - "Zigeunerleben" mit Zelt satt hat. Ich habe auch eine
kleine Geldbörse und freue mich, wenn ich ein Eis von meinem Geld zahlen
darf. Ich stecke auch gerne Münzen in meine Sparbüchse und freue
mich immer, wenn diese dann bei der Bank ausgeleert
wird. Bei unserer Bank bekomme ich dann immer ein kleines Geschenk. Die
haben dort echt ein Herz für Kinder, das ist nicht überall so. Meine Mama gibt mir auch immer kleine, einfache Aufgaben und lobt
mich, wenn ich die zuverlässig erledige. Unsere Haustiere füttere
ich auch, ganz selbständig. Meine Brüder merken sowieso nie, wenn
die Futternäpfe leer sind. Ich hole oft die Post, bringe Briefe zum Briefkasten, der nicht weit von
unserem Haus entfernt ist. Das mache ich gerne. Ich passe auch
immer gut auf, wenn ich über die Straße gehe und kenne inzwischen auch die
Ampelfarben. Beim Autofahren passe ich auch immer gut auf und
erinnere meine Eltern, wenn sie an der Ampel losfahren können. Ich habe
eine sehr gute Orientierung, sagt meine Mama. Ich kann mich sehr gut
erinnern, wo ich schon überall war und erkenne das sofort auf
Bildern oder beim Vorbeifahren. Meiner Mama muss ich immer
sagen, wann sie Abbiegen muss, wenn sie mit mir zum Arzt oder Einkaufen fährt. Die
würde nämlich glatt das Abbiegen vergessen und sagt mir immer, ich solle
ihr bloß rechtzeitig sagen, damit sie sich richtig einordnet und das tue
ich dann auch.
Meine Eltern staunen immer, wie gut ich mich erinnere, wo Leute
wohnen, die wir einmal besucht haben. Auch im Haushalt bin ich sehr geschickt. Ich mache viel weniger kaputt als meine Brüder und überhaupt
bin ich sehr umsichtig und zuverlässig, sagt meine Mama. Wenn ich etwas
nicht kann, dann sage ich es und Mama hilft mir dann.
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Was ich (noch) nicht kann
Lesen, Schreiben, Rechnen fällt mir immer noch sehr schwer, denn bei
mir ist ja das Sprachzentrum gestört. Ich habe aber gelernt, meinen
(zum Glück kurzen) Namen zu
schreiben und kann diesen auch lesen, wenn er in Großbuchstaben
geschrieben steht. Ich
kenne mittlerweile alle Buchstaben und meine Mama übt auch fleißig mit mir,
aber trotzdem geht es einfach nicht richtig vorwärts. Trotz vieler, vieler Übungen habe ich noch Probleme, Buchstaben zusammenzusetzen und Worte zu bilden. Ich kann nur ganz
einfache Worte schreiben und lesen, z.B. Mama, Papa, Oma, Opa. Auch Rechnen fällt mir schwer. Wenn meine Mama sagt, wir müssen den
Tisch für 6 Personen decken, spreche ich meistens die Namen laut dazu, damit ich mich nicht verzähle. Ich kann nur soweit rechnen wie
meine Finger zählen, sagt Mama, aber wozu muss ich auch in Zehnerschritten
rechnen können? Wenn ich etwas mache, muss das vorhersehbar sein... unerwartete Probleme verunsichern mich
und ich bleibe dann auf der Stelle stehen, fange zu weinen an und wirke
irgendwie hilflos, weil ich nicht gut ausdrücken kann, warum ich
traurig bin. Manchmal weiß ich das wohl selbst nicht. Alleine können
mich meine Eltern nicht lassen. Mama hat auch immer große Angst, dass sie
mich mal in der Stadt, im Gewühl oder beim Einsteigen in einen Aufzug
"verliert", weil ich bei unvorhersehbaren Situationen verschüchtert, ja
hilflos dastände, weil ich mich nicht verständig machen kann und
immer die
Sicherheit einer Begleitperson brauche. Wenigstens gerate ich nicht in
Panik, wenn ich Mama beim Einkaufen doch einmal aus den Augen verliere,
weil ich weiß, sie sucht und wir finden uns schon wieder. An diesem
Vertrauen hat meine Mama intensiv und lange gearbeitet.
Was mir Angst macht
In Aufzüge oder Rolltreppen steige ich am liebsten, wenn mich jemand
an der Hand nimmt.
Meine Mama versucht zwar, mir die Angst vor Abwärts-Rolltreppen zu
nehmen, aber da hilft auchkein gutes Zureden. Meistens findet sich zum Glück ein Treppenhaus
oder Aufzug,
das wir benutzen können.
Lange Zeit hatte ich auch Angst vor Sirenen aller Art. Bis
vor ein paar Jahren bin ich jedes Mal, wenn ich eine Sirene hörte,
erschrocken stehen geblieben oder in Panik in irgendeine Richtung gelaufen
und es bedurfte viel guten Zuredens, bis ich mich wieder beruhigte.
Mama führt das darauf zurück, dass es in unserem Ort einmal ein großes
Feuer war. Ich war damals noch klein und habe nachmittags gerade
geschlafen als plötzlich ganz viele Feuerwehrautos, Polizeiautos und
Krankenwagen durch unseren Ort gefahren sind. Der Sirenenlärm hat mich
aufgeweckt und verschreckt. Und kaum, dass ich wieder beruhigt habe, kam
schon wieder so ein Auto. Das ging damals über mehrere Stunden und
seitdem bin ich bei jedem kleinen Geräusch aufgewacht und habe
fürchterlich geschrieen. Meine Mama sagte, ich hätte ein richtiges
Sirenen-Trauma gehabt. Heute hat sich das gelegt, aber wenn ich
Sirenen höre, bin ich trotzdem noch ein bisschen unsicher. Da bin
ich dann ganz froh, wenn jemand bei mir ist. Überhaupt war ich
früher sehr geräuschempfindlich. Meine Mama sagt, bei mir wären sie
alle mit Zehenspitzen durchs Haus gelaufen, wenn ich geschlafen hätte.
Weil ich so wenig geschlafen habe und beim kleinsten Geräusch schon wieder
wach war. Damals muss ich sehr anstrengend gewesen sein. Heute
stört es mich nicht mehr, wenn meine Eltern oder Brüder Besuch haben und
es im Haus noch laut ist, wenn ich schon Bett liege oder
schlafe.
Vor
Gewitter, Sturm und nächtlichem Regen fürchte
ich mich auch. Bei Gewitter beruhigt mich mein Papa immer am Besten,
denn vor Gewittern hat auch meine Mama großen Respekt, auch wenn sie
versucht, es sich vor mir nicht anmerken zu lassen. Neben meiner Mama
hat nämlich einmal ein Blitz eingeschlagen. Vor uns Kindern versucht
sie zwar immer, sich nichts anmerken zu lassen, aber ich glaube, sie war
immer recht froh, wenn bei Gewittern Papa oder ein anderer Erwachsener in der Nähe
war und sich um uns Kinder
gekümmert hat. Vor Silvesterknallern habe ich auch Angst. Aus diesem
Grund lassen mich meine Eltern an Silvester auch nicht alleine, und einer
von ihnen
ist immer bei mir, weil ich immer weine, wenn ich Angst habe und
brauche dann viel Zuwendung, bis ich mich beruhige. Mama meint, ich hätte dieselben empfindlichen Ohren wie Leo, unser
Hund. Dem sind laute Geräusche, Gewitter und Silvesterknaller nämlich auch
nicht geheuer.
Meine Mama sagt, dass ich ihr im Haushalt eine große Hilfe
bin. Ich bin nämlich ein sehr ordentlicher Mensch. In meiner
Schule habe ich das auch gelernt - dort müssen wir immer alles schön
aufräumen und alles hat seinen Platz. Wenn ich zuhause bin, helfe
ich meiner Mama oft, in der Küche, beim Tischdecken oder Abräumen, räume
die Spülmaschine aus oder lege Wäsche zusammen. Wie man Servietten
faltet hat mir meine Mama auch gezeigt und sie sagt, ich mache das jetzt
viel schöner als sie. Besonders gern gehe ich mit meinen Eltern
einkaufen. Dort darf ich immer die Einkaufwagen holen und
zurückbringen, denn ich weiß
jetzt auch, wie man die Münzen dort hineinsteckt. Mama sagt
immer, sie hat gar nicht so viel Geld, dass sie mit mir so oft zum Einkaufen
fahren kann wie ich es möchte. Meine Mama sagt jedenfalls,
wenn ich still bin, mache ich etwas Sinnvolles, während meine
Brüder immer irgendeinen Unfug getrieben haben wenn es in ihren Zimmern
mal längere Zeit ruhig war. Sie schimpft zwar immer mit mir, wenn
ich meinen Brüdern hinterher räume oder sogar ihre Betten mache, aber
ich mache das ja freiwillig und gerne. Meine Mama sagt aber, die
sollten ihren Dreck selber aufräumen lernen und wir müssten die Schlamperei
nicht noch unterstützen. Wahrscheinlich hat sie recht. Ich habe jetzt
auch gelernt, manchmal "nein" zu sagen oder "mach selber", wenn meine Brüder zu faul sind, etwas
selbst zu tun oder holen. Meine Mama ist sogar froh, wenn ich sage "ich habe keine Lust", denn das zeigt ihr, dass
ich selbstbewusster werde und sie sagt, das brauche ich für meine
Entwicklung. Sie hat schon recht. Ich bin ja kein Hund, der aufs
Wort gehorchen muss.

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Von meinen "unruhigen Zeiten" merkt man mir heute
nichts mehr an. Im Gegenteil: Ich bin heute ziemlich schüchtern,
vor allem Leuten gegenüber, die ich nicht
gut kenne oder in Situationen, die mir fremd sind. Ich dränge mich nun mal nicht gerne in den Vordergrund. In
meiner Klasse gehöre ich immer noch zu den Stillen, obwohl meine
Lehrer mich immer wieder ermuntern und ermutigen.
Zuhause und in vertrauter Umgebung hingegen bin ich
recht redselig. Wenn bei uns Leute anrufen, denken sie wir hätten
Besuch weil ich oft laut mit meinen Puppen rede. Meine Mama
ist als Kind auch so ruhig gewesen. Mama
nerve ich zwar manchmal, weil ich ständig dasselbe sage oder sehr naiv frage,
doch sie antwortet trotzdem immer geduldig.
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Auch wenn es manchmal Verständigungsschwierigkeiten
gibt, so kann ich doch gut umschreiben, was ich meine. Dann
lachen wir beide und sind immer sehr erleichtert. Überhaupt kann wer
mich länger kennt, gut verstehen. Dennoch begreife ich einfache,
kurze Sätze und Erklärungen besser als komplizierte, wie man es von einem
gesunden Kind in meinem Alter erwarten würde. Meine Mama sagt, die
Gespräche mit mir wären bei aller Liebe schon sehr einseitig. Da sie
wegen mir und ihrer Arbeit für für die Firma meines Papas leider sehr an
das Haus gebunden ist, ist die Möglichkeit, im Internet mit
Gleichgesinnten Erfahrungen auszutauschen, für sie eine willkommene
Abwechslung. Wahrscheinlich sitzt sie auch jetzt wieder, während ich
schlafe, am Computer, schreibt, sucht Informationen im weltweiten Web oder
arbeitet an ihrer Internetseite.

Ich dachte einmal, Evas Geschichte wäre hier zu Ende,
jedoch sie geht weiter - vieles hat sich
geändert
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