Nur allzu oft werden Opfer in die Schublade der Versager und Dummköpfe
gepackt,
die womöglich auch noch selbst an ihrem Leid schuld sein sollen.
Wie bequem, wenn man die eigene Verletzbarkeit ausblendet und gänzlich
vergisst,
dass man jederzeit selbst zum Opfer werden kann.
Verfasser unbekannt
Das
Lied vom Anderssein
Im Land der Blaukarierten
sind alle blaukariert.
Doch wenn ein Rotgefleckter
sich mal dorthin verirrt,
dann rufen
Blaukarierte:
"Der passt zu uns doch nicht!
Er soll von hier verschwinden,
der rotgefleckte
Wicht!"
Im Land der Rotgefleckten
sind alle rotgefleckt.
Doch wird ein Grüngestreifter
In diesem Land entdeckt,
dann rufen Rotgefleckte:
"Der passt zu uns doch nicht!
Er soll von hier verschwinden,
der Grüngestreifte
Wicht!"
Im Land der
Grüngestreiften
sind alle grüngestreift.
Doch wenn ein
Blaukarierter
So etwas nicht begreift,
dann rufen
Grüngestreifte:
"Der passt zu uns doch nicht!
Er soll von hier verschwinden,
der
blaukarierte
Wicht!"
Im Land der
Buntgemischten
Sind alle buntgemischt.
Und wenn ein Gelbgetupfter
Das bunte Land auffrischt,
dann rufen Buntgemischte:
"Willkommen hier im Land!
Hier kannst du mit uns leben,
wir reichen dir die Hand!"
©
Text und Musik: Klaus W. Hoffmann
Musikverlag:
Aktive Musik
Der
Blinde und der Lahme
Von
ungefähr muß einen Blinden
Ein Lahmer auf der Straße finden,
Und jener hofft schon freudenvoll,
Daß ihn der andre leiten soll.
Dir,
spricht der Lahme, beizustehn?
Ich armer Mann kann selbst nicht gehn;
Doch scheints, daß du zu einer Last
Noch sehr gesunde Schultern hast.
Entschließe
dich, mich fortzutragen:
So will ich dir die Stege sagen:
So wird dein starker Fuß mein Bein,
Mein helles Auges deines sein.
Der
Lahme hängt mit seiner Krücken
Sich auf des Blinden breiten Rücken.
Vereint wirkt also dieses Paar,
Was einzeln keinem möglich war.
Du
hast das nicht, was andre haben,
Und andern mangeln deine Gaben;
Aus dieser Unvollkommenheit
Entspringet die Geselligkeit.
Wenn
jenem nicht die Gabe fehlte,
Die die die Natur für mich erwählte:
So würd er nur für sich allein,
Und nicht für mich, bekümmert sein.
Beschwer
die Götter nicht mit Klagen!
Der Vorteil, den sie dir versagen
Und jenem schenken, wird gemein,
Wir dürfen nur gesellig sein.
Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769)
Schwarz
Als ich geboren wurde, war
ich schwarz
Wenn
ich aufwachse, bin ich schwarz
Wenn
ich in die Sonne gehe, bin ich schwarz
Auch
bei Kälte bleibe ich schwarz
Wenn
ich mich fürchte, bin ich schwarz
Wenn
ich einmal sterbe, bin ich schwarz
Aber
DU!
Als
du geboren wurdest, warst du rosa
Wenn
du aufwächst, bist du weiß
In
der Sonne wirst du rot
Und
in der Kälte blau
Wenn
du Ärger hast - gelb
Ist
dir übel, siehst du grün aus
Und
wenn du einmal stirbst, bist du bleich
UND
DU NENNST MICH EINEN FARBIGEN??
Verfasser unbekannt
Meine
neue FarbeWenn ich erkannt bin
obwohl der Panzer standhält
Wenn ich unsicher bin
obwohl Sicherheit nur schützen will
Wenn Töne plötzlich klingen
obwohl kein Laut zu hören ist
Wenn Fühlen Raum
gewinnt
obwohl Vernunft den Platz verteidigt
Wenn Vertrauen
eintrifft
obwohl der Zweifel nagen will
Dann bin ich ein
offenes Buch
bereit für den, der lesen will
Dann hab ich eine
neue Farbe
Sie steht mir gut
Und passt zu mir
Ohne sie
Bin ich nicht weniger bunt
Aber um viele Farben
reicher.
Renate Putz-Esser
Ehrfurcht
vor dem Leben
,,Was ist Ehrfurcht vor dem Leben, und wie entsteht sie in uns?
Die unmittelbarste Tatsache des Bewusstseins des Menschen lautet:
,Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das Leben
will.` Als über sich selbst und über die Welt um sich herum
nachdenkt." - ,,Zugleich erlebt der denkend gewordene Mensch
die Nötigung, allem Willen zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor
dem Leben entgegenbringen wie dem eigenen. Er erlebt das andere
Leben in dem seinen. Als gut gilt ihm: Leben erhalten, Leben fördern,
entwickelbares Leben auf seinen höchsten Wert bringen; als böse:
Leben vernichten, Leben schädigen, entwickelbares Leben
niederhalten." - ,,Dies ist das denknotwendige, absolute
Grundprinzip des Sittlichen." - ,,Ethisch ist der Mensch nur,
wenn ihm das Leben als solches, das der Pflanze und des Tiere wie
das des Menschen, heilig ist und er sich dem Leben, das in Not
ist, helfend hingibt. Nur die universelle Ethik des Erlebens der
ins Grenzenlose erweiterten Verantwortung gegen alles, was lebt, lässt
sich im Denken begründen." - ,,Die Ethik der Ehrfurcht vor
dem Leben begreift also alles in sich, was als Liebe, Hingabe,
Mitleiden, Mitfreude und Mitstreben, bezeichnet werden kann."
Albert Schweitzer (1875-1965) |
Bekenntnis
zum Leben
Ich will unter Umständen ein Allerweltsmensch sein.
Ich habe ein Recht darauf, aus dem Rahmen zu fallen -
wenn ich es kann. Ich wünsche mir Chancen,
nicht Sicherheiten. Ich will kein ausgehaltener Bürger sein,
gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für mich sorgt.
Ich
will dem Risiko begegnen, mich nach etwas sehnen und es
verwirklichen, Schiffbruch erleiden und Erfolg haben.
Ich lehne es ab, mir den eignen Antrieb mit einem Trinkgeld
abkaufen zu lassen. Lieber will ich den Schwierigkeiten des
Lebens entgegentreten, als ein gesichertes Dasein führen;
lieber die gespannte Erregung des eigenen Erfolgs als die
dumpfe Ruhe Utopiens. Ich will weder meine Freiheit gegen
Wohltaten hergeben noch meine Menschenwürde gegen
milde Gaben. Ich habe gelernt, selbst für mich zu denken
und zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen und
zu bekennen: dies ist mein Werk. Das alles ist gemeint,
wenn ich sage: Ich
bin ein freier Mensch
Albert Schweitzer (1875-1965)
Im
Gegenteil
Sie sehen meine Kleidung.
Sie sehen meine Haare.
Sie sehen meine Wohnung.
Und sie bilden sich
ein URTEIL
beVOR sie einen Blick
in mich geworfen haben.
Ein solches Urteil
zwingt mich zu lächeln –
nicht in die Knie.
Kristiane Allert-Wybranietz
Werde
nicht hart
Wer sich heute verhärtet
im Kampf
gegen Vorurteile
von gestern
der fällt ihnen
morgen
die harten
Nachurteile
Die werden die Vorurteile
von übermorgen
Erich Fried
(1921-1988)
Anders sehen
Versuch mal, mit dem Herzen zu sehn
Das geht zwar nicht im Handumdrehn
Es ist schwerer als es klingt
Aber wenn es dir gelingt
Wirst du vieles besser verstehn.
Versuch mal, mit dem Herzen zu sehn
Und dann so auf eine Reise zu gehen
Du sagst dir zu guter Letzt:
Warum tat ich das erst jetzt?
Wieviel Schönes ließ ich mir entgehn?
Natürlich kannst du bleiben, wo du bist
Und alles nur so sehen, wie es ist
Du glaubst, du bist zu haus
Du glaubst, du kennst dich aus
Da weißt
du, was du hast
Doch weißt du leider nicht, was du verpaßt.
Versuch mal, mit dem Herzen zu sehn
das bringt dich auf ganz neue Ideen
Vielleicht triffst du irgendwann
einen, der das gleiche kann
und dann wird eine Freundschaft entstehn
wenn du’s schaffst, mit dem Herzen zu sehn
wenn du’s schaffst, mit dem Herzen zu sehn
Komponiert und gesungen von Herman van Veen
Text: Thomas Woitkewitsch
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