Brief an den lieben Gott


Im Spessart lebte einst eine alte Frau.
Für sie war die Welt nicht rosig, eher grau.
Mit ihrem Einkommen war es schlecht bestellt.
Mit einem Wort: 'sie hatte kein Geld.'

Sie überlegte lange hin und her
woher denn Geld zu kriegen wär.
Ihr kam die Idee, so sapperlott,
sie schrieb einen Brief an den lieben Gott.

"Lieber Gott ich bin alt und arm
das Geld ist zu wenig, hab doch Erbarm
und schicke mir schnellstens einhundert Mark,
sonst müsste ich hungern und das ist arg...

Eine andere Hilfe weiß ich nicht mehr
und ohne Moneten ist's doch verdammt schwer.
Aber bitte beeile Dich mit dem Geld,
sonst ist's nicht mehr schön auf dieser Welt."

Der Brief wird frankiert in den Kasten gesteckt,
der Postbote hat ihn sogleich auch entdeckt.
Er sieht die Adresse, was soll er machen,
"An den lieben Gott", das ist ja zum Lachen.

Er denkt sich aber, ein Spaß muss sein,
der Brief kommt ins Fach vom Finanzamt hinein.
Am nächsten Tag dort angekommen,
vom Beamten in Empfang genommen.

Wenn Sie nun glauben, er schmeißt weg diesen Brief,
da irren Sie sich, da liegen Sie schief.
Er liest die Adresse und denkt gleich daran,
wie man der Frau wohl helfen kann.

Ja, glauben Sie mir, das ist kein Scherz,
es gibt beim Finanzamt auch Menschen mit Herz.
Ihm kommt ein Gedanke und das ist sehr fein,
das könnt für die Frau eine Hilfe sein.

Er fängt gleich an durchs Büro zu wandern
und sammelt recht fleißig von Einem zum Andern.
Doch leider war der Erlös etwas karg,
statt hundert, bekam er nur siebzig Mark.

Doch dies wurden dann unverwandt
gleich an die arme Frau gesandt.
Die Frau, sie freut sich, kann's kaum ermessen,
dass sie der Herrgott nicht hat vergessen.

So schrieb sie rasch einen Dankesbrief,
in Eile sie zum Postamt lief.

Sie schrieb: "Lieber Gott, ich bin wieder stark
und danke Dir für die hundert Mark.
Doch solltest Du mal wieder an mich denken
und mir gütigst ein paar Märkchen schenken,
dann möchte ich Dich um eines bitten,
das Geld nicht übers Finanzamt zu schicken,
denn die Lumpen haben mir ungelogen,
von den hundert Mark, dreißig Mark abgezogen."

Verfasser unbekannt