Nürnberg

Originaltext von Henry W. Longfellow,
übersetzt von Wilhelm Steuerwald, 1913

In dem Pegnitztal in Franken,
wo auf weite Wiesenau
blaue Berge niederblicken,
stehet Nürnberg altersgrau.

Stadt des Handels und der Arbeit;
Stadt des Sanges und der Kunst -
um die spitzen Giebel flattern
dohlengleich im fahlen Dunst

alter Zeit Erinnerungen
da die Kaiser kühn und groß
thronten auf dem felsenfesten,
zeiterprobten Bergesschloß.

Und in wundersamen Weisen
rühmte deiner Bürger Sang,
daß der Reichsstadt Hand und Wirken
weit durch alle Zeiten drang.

In des Burghofs Mitte stehet,
eingeschient in Eisenband,
noch die Linde, die einst pflanzte
Kaiserin Kunigundes Hand.

Den Sankt Sebald Pfarrhof zieret
noch des Erkers Heiligtum,
wo einst Dichter Melchior weilte
singend Maximilians Ruhm. -

Hier die Wunderwelt der Künste
allerwärts das Aug entzückt:
auf dem Marktplatz schöne Brunnen,
reich mit Bildwerk ausgeschmückt.

Vom Portal der Kathedralen
Heilige in Stein gehauen,
Gottesboten früh'rer Zeiten,
mahnend auf uns niederschauen;

In der Sankt Sebalduskirche
ruh'n des Heiligen Gebeine
    unter'm Schutz der Zwölf Apostel
friedlich in dem Silberschreine;

In der Kirche Sankt Laurentius
ragt die heilige Monstranz
gleich dem Garben der Fontaine
himmelwärts in hehrem Glanz.

Hier auch lebte, wirkte, kämpfte
Albrecht Dürer fromm und wahr,
Heil'ger Kunst Apostel stellt' er
seines Heilands Leben dar.

Still ertragend seinen Kummer,
schaffend stets mit ems'ger Hand,
schaute er gleich einem Pilger
aus nach jenem besser'n Land.

Emigravit - hat als Inschrift
man ihm auf sein Grab gegeben;
Tot nicht, nur geschieden ist er,
denn ihm blühet ewig Leben.

Und die alte Stadt scheint schöner,
schöner strahlt ihr Sonnenschein,
weil ihr Pflaster er betreten,
ihre Luft er saugte ein.

Durch die Straßen breit und stattlich,
durch die Gassen schmal und eng
   tönten einst der Meistersinger
Liedesweisen herb und streng.

Aus der fernen, düstern Vorstadt
kamen sie zur schmucken Gilde,
daß am großen Ruhmestempel
jeglicher ein Nest sich bilde.

Seine Reime wob der Weber
nach des Schiffchens Taktesschwingen,
und der Schmied ließ seine Maße
auf dem Amboß laut erklingen,

dankend Gott, des große Weisheit
auf der Schmiede staub'gen Fliesen
wie auch im Gebild des Webstuhls
Dichtungsblumen ließ ersprießen.

Hier Hans Sachs, der Schusterdichter,
Haupt der wackern Schar und Preis,
größter der zwölf weisen Meister,
sang und lachte bändeweis.

Doch sein Heim ist jetzt ein Bierhaus,
säuberlich bestreut mit Sand
ist die Schenke, und ums Fenster
Blumen flocht der Liebe Hand.

Überm Eingang zeigt ein Bild ihn
mit dem langen weißen Bart,
wie in Adam Puschmanns Versen,
sanft und mild nach Taubenart.

Schaffensmüde kommt am Abend
der gebräunte Handwerksmann,
zecht im Stuhl des alten Meisters
aus der blanken Zinnenkann.

Alter Glanz ist hingeschwunden,
wogend und verworren steigen
vor mir gleich verplaßtem Teppich
Bilder auf in buntem Reigen.

Nicht Konzile und nicht Kaiser,
waren dir zum Weltruhm Führer,
Nein - Hans Sachs, der Schusterbarde,
und der Maler Albrecht Dürer.

So ersann ein fremder Wand'rer,
der vom fernen Westen schied,
auf dem Gang durch Straßen, Höfe,
Nürnberg, dir dies schlichte Lied;

Sammelnd aus des Pflasters Ritzen
eine bodenständ'ge Blum:
Harter Arbeit hohem Adel
heißen Mühens langen Ruhm.

Quelle: "Nürnberg im Lied"
Verlag U. E. Sebald, Nürnberg und Leipzig