Kauft Bücher!

Ein Mensch, gedrängt zu dem Versuch,
Was Gutes zu schreiben übers Buch,
Tut herzlich gerne seine Pflicht.-
Doch die, die's angeht, lesen's nicht,
So daß die ganze schöne Predigt
Sich solchermaßen selbst erledigt.

Wer mitreist auf dem Bücherschiff,
Dem ist es längst schon ein Begriff,
Was uns, in einer Welt voll Nieten,
Die wertbeständigsten Bücher bieten.
Und daß das Buch noch stets der Vater
Von Funk und Film und vom Theater.
Sie alle müßten rasch verderben,
Begänne erst das Buch zu sterben.

Das Beste, das die Dichter stiften,
Steht sicher nicht Schundzeitschriften,
Auch nicht im Fachbuch und im Zweckbuch,
Und nicht im Kochbuch und im Scheckbuch,
Den einzigen Büchern, die die Massen
Noch einigermaßen gelten lassen.
Man wünscht die Dichter und die Denker -
Wenn überhaupt - nur mehr zum Henker.

Einst von der Maas bis an die Memel
Las man selbst Lyrik, etwas Dehmel,
Und von der Etsch bis an den Belt
War'n Bücherbretter vollgestellt
Mit Lessing, Herder, Goethe, Schiller.
Jetzt wird's allmählich still und stiller,
Und von der Isar bis zur Weser
Tönt laut der Angstruf nach dem Leser.

Dem Käufer, um's genau zu sagen,
Der, Schwarz auf Weiß nach Haus zu tragen,
Sich leidenschaftlich kann erhitzen:
Denn, was man liebt, will man besitzen.
Gleich dämpft Ihr meiner Werbung Feuer
Und ruft: "Die Bücher sind zu teuer!"
Gewiß geht's heut um jeden Groschen.
Doch, wo die Liebe so erloschen,
Daß man zu Opfern nicht mehr willig,
Hat's Buch verspielt, auch wenn es billig.

Ausreden gibt es zur Genüge,
Die wahr sind - und im Grund doch Lüge:
Dem fehlt's an Zeit, dem fehlt's an Platz,
Zu mehren seinen Bücherschatz,
Und wütend schrei'n die Bildungsstürmer,
Hin sei die Zeit der Bücherwürmer!
Die wünschen wir selbst nicht zurück. -
Doch wer das hohe, einzige Glück
Noch nie erfuhr, die Offenbarung,
Daß Bücher Geist- und Herzensnahrung,
Daß sie der Freiheit schönstes Licht -
Der ist fürwahr ein armer Wicht!
Wer nie der Bücher Trost begehrt,
Ist nicht des Menschensnamens wert.

Die Bücher sind nur eins von beiden -
Was, muß das ganze Vok entscheiden:
Sie sind der Menschheit höchste Güter -
Wo nicht: nur alte Ladenhüter!
Wir hoffen, diese Wahl ist klar:
Kauft Bücher! Und bezahlt sie bar!

aus „Ein Mensch, Heitere Verse“
von Eugen Roth

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